Wenn der Kunde was „Falsches“ will

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Taucht ein Kunde in einem Laden auf, will er meistens etwas kaufen – dann braucht es nur noch einen Verkäufer, der es dem Kunden auch verkaufen mag. Doch immer wieder wollen die Verkäufer nicht, dass der Kunde bekommt, wonach er verlangt.

Am 28.12.2005 begann auch meine Leidensgeschichte. Da ich regelmässig in die Schweiz pendelte und inzwischen dort auch wohne, habe ich mir eine Schweizer SIM Karte gekauft. Damals etwas Neumodisches – eine erste (halbe) Discounterkarte von Orange, die es nur im Internet gab.

Diese SIM Karte löste ein Problem: plötzlich kostete eine Minute telefonieren nicht mehr über einen Euro, sondern nur noch 39 Rappen. Eine SMS war und ist mit 10 Rappen sogar recht günstig. Doch da hatte ich ein neues Problem: jetzt braucht es zwei Mobiltelefone. Ein zweites Handy aufzutreiben ist kein wirkliches Problem. Die hatte ich damals schon in ausreichender Menge. Doch ist es einfach blöd, immer zwei Telefone mit sich herumzutragen.

Also suchte ich nach Lösungen – und seitdem gehöre ich zu oben erwähnten Kunden. Ich möchte Mobiltelefone, in die zwei SIM Karten passen.

Solche Telefone sind eigentlich ein alter Hut. Benefon hat so ein Gerät schon vor einem Jahrzehnt angeboten. Doch fragen die Kunden in Deutschland in den Shops der grossen Netzbetreiber an, zucken die Verkäufer nur mit den Schultern und versuchen stattdessen, wieder irgendein Klicki-Bunti Gerät unters Volk zu bekommen. Unter vorgehaltener Hand hört man dann immer wieder, dass die Netzbetreiber auf die Gerätehersteller massivsten Druck ausüben, solche Geräte nicht anzubieten. So hat Nokia ihr erstes Dual-SIM Handy in Deutschland nicht im Programm.

Die Argumentation ist immer die gleiche: es wäre „dumm“, solche Telefone zu verkaufen. Damit würde man sein eigenes Geschäft kaputt machen. Da stellt sich die Frage, welche Kunden sich ein solches Gerät kaufen würden?

Mir fallen spontan vier Zielgruppen ein:

  1. Die Reisenden, die SIM Karten mehrerer Länder mit sich herumtragen.
  2. Diejenigen, die private und dienstliche Gespräche trennen möchten und dazu zwei SIM Karten benutzen müssen.
  3. Die „Tarifjunkies“, die mit verschiedenen SIM Karten pro Destination den jeweils günstigsten Tarif nutzen möchten.
  4. Die Topografie-Opfer, die zwei Netze benötigen, da sie sonst immer wieder im Funkloch landen.

Der normale Nutzer braucht ein solches Handy nicht. Wozu? Es ist schwerer, der Akku hält möglicherweise nicht so lange und beim reinen Telefonieren oder Simsen bietet es keine Vorteile.

Die erste Zielgruppe, die Reisenden würden wahrscheinlich eher ein zweites Handy mit sich herumtragen, als darauf zu verzichten. Spätestens, wenn es in exotischere Länder geht, explodieren die Kosten mit regulären Tarifen. So schwer kann das zweite Handy gar nicht sein, als dass es sich nicht rechnet, es mitzunehmen.  Hier wäre es im Prinzip ganz einfach, den Bedarf zu decken: günstige Roamingtarife. In Europa hat das aber erst halbwegs funktioniert, als die EU es zwangsverordnete. Die Netzbetreiber klagten natürlich sofort dagegen – und haben kürzlich verloren.

Die zweite Gruppe ist ebenfalls eine Gruppe, die den Netzbetreibern keinen Umsatz wegnehmen würde, hätten sie solche bösen Handies. Wenn ein Angestellter unterwegs zuhause anrufen will und das mit dem Dienstgerät nicht darf, braucht er eine zweite SIM Karte. Wieso diesen Kunden dann noch Steine in den Weg legen? Gleiches gilt für die vierte Gruppe: wo kein Netz ist, können sie nicht telefonieren.

Die dritte Gruppe dürfte der eigentliche Grund sein, weswegen diese Telefone so unpopulär bei den Netzbetreibern sind. Die Vertrags-SIM in Slot 1, um das Telefon zu finanzieren, die Discounter-SIM in Slot 2 – beide dann noch in zwei verschiedenen Netzen –das  ist der worst case, der den Netzbetreibern passieren kann. Der Grund ist für das Verhalten ist einfach: Tarife ohne Fussangeln gibt es kaum. Es gibt ein paar allgemein günstige Tarife wie beispielsweise solomo pro oder, wenn Anrufe nach Deutschland reichen, Modelle wie den o2 o – der einen Kostendeckel hat. Aber auch hier sei gesagt: ein Kunde wird eine SMS ins Ausland für 29 oder gar 39 cent nicht versenden – auch wenn in den Borschüren tausendmal „günstig“ drin steht. Hier hilft nur eines: faire Tarife. Wenn jemand wirklich immer das günstigste Tarifmodell nutzen möchte, wird er es tun. Die Geräte dann anderen Kunden vorzuenthalten wirkt auf mich eher hilflos.

Vor kurzem sind in den Onlineshops der Schweizer Anbieter Swisscom und Sunrise Dual-SIM Handys aufgetaucht. Das Samsung B5722 wird dort angeboten. Die Preise sind nicht sonderlich gut, werden von lokalen Händlern wie Digitec massiv unterboten, aber es zeigt, dass solche Angebote keinen Weltuntergang bedeuten. Sunrise beschreibt das Dual-SIM Handy mit einem einzigen Wort: praktisch.

Ein „jedoch“ gibt es bei diesem Angebot trotzdem: der Schweizer Markt tickt anders. Die Swisscom hält 60% Marktanteil. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch die zweite SIM von ihr stammt, ist hoch. Sunrise dürfte anders denken: die erste SIM ist bei den meisten sowieso von Swisscom. Da bietet es sich doch an, dem Kunden bei jedem Blick ins Display zu zeigen, dass das angeblich lückenhafte Netz den meisten Kunden eine gleich gute Abdeckung liefert, wie das viel teurere des Wettbewerbers.

Wie ich auf Teltarif gelesen hab, wird jenes Dual-SIM Handy mittlerweile auch bei e-plus für Vertragsverlängerungen angeboten. Eine gute Entscheidung. Hat da jemand mal in den sunrise Shop hingesehen?

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3 Antworten to “Wenn der Kunde was „Falsches“ will”

  1. michael Says:

    Als Mitglied der Zielgruppe 2 wird mein DualSimHandy immer bestaunt: „Sowas gibt es, auch hier in Deutschland?“ Es gibt noch viel zu viele Kunden, die blind den Aussagen von Verkäufern in diversen Shops vertrauen-entsprechend lange wird es in solchen Shops kaum DualSimGeräte geben. Ich war 1998 zum letzten Mal in solch einem Shop Kunde…..

  2. Steffen Says:

    Als Mitglied der Zielgruppe 1 bleibt die deutsche SIM im Urlaub meistens in der Unterkunft und geht abends mal online um SMS einzusammeln. Anrufen muss mich da keiner, ist immerhin Urlaub.

    Ansonsten bin ich da lieber nur mit einem Symbian-Nokia und einer lokalen Prepaid unterwegs. Dank Settings Wizard geht da dann auch Internet für wenig Geld.

  3. Gerd Says:

    Aktuelles Beispiel:
    Das einzige mir bekannte Android-Smartphone mit QWERTY-Tastatur und DualSIM, das Samsung Galaxy Y Pro DuoS (GT-B5512), wird in Deutschland nicht angeboten.
    Aber z.B. in Indien, Nord-Afrika, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bulgarien, Russland, Slowenien, Polen, Griechenland und Belgien kein Problem.

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