Der VATM, der vom heutigen Telekom CEO René Obermann zunächst als VAM gegründete Dachverband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten hat kürzlich sein Jahrbuch verschickt. Darin stieß ich auf einen Artikel des FST e.V. der freiwilligen Selbstkontrolle für „Mehrwert“-Rufnummern, wo es um kostenfreie Warteschleifen geht.
Es geht um den Wunsch von Bundesregierung und Deutschem Bundestag, die nervigen Warteschleifen bei Telefon-Hotlines künftig „kostenlos“ zu machen, bis ein Mensch dran geht, der weiterhelfen kann. Was sich so einfach anhört, ist wirklich gar nicht so einfach, doch in der Öffentlichkeit bekommt man als normaler Kunde davon wenig mit.
Abrechnung sofort oder später ?
In der Urzeit des Telefonierens wurde alles über den Sprachkanal abgewickelt, d.h. der Kunde wählte eine Nummer und dann wurden als kaum hörbare „Knackser“ die Zählimpulse für die „Einheiten“ übermittelt – am Ende des Gesprächs war glasklar, was das kostet.
Heute hat man Sprach und Signalisierungskanal längst getrennt, weil schlaue Tüftler durch selbstgemachte Pfeiftöne die Telefonabrechnungen „manipulieren“ konnten.
Wenn eine Telefonverbindung aufgebaut wird, erfolgt das in der Regel via „Online-Billing“ d.h. beim Wählen ist schon klar, was das pro Minute oder Sekunde kosten wird und am Ende steht die Summe sofort fest.
Bei „Sondernummern“ geht das anders: Da gibts eine Telefonverbindung, die zunächst mal nicht berechnet wird und am Ende der Verbindung weiß man unter Umständen auch noch nicht, was das gekostet hat. Der angerufene Dienstleister schreibt die Rechnung erst später und schickt sie an den Teilnehmernetzbetreiber, das ist die Firma, die dem Kunden die monatliche Telefonrechnung schickt, weil ihr der Anschluß gehört. In den allermeisten Fällen ist das wohl die Deutsche Telekom, kann aber auch ein privater Anbieter, wie Vodafone (vormals Arcor), Versatel, Telefonica (o2/Hansenet) etc. etc. sein. Gleiches gilt übrigens für die 118er Auskunftsdienste, das Abrechnungsprinzip ist das gleiche.
Bei 0900 Rufnummern geht es gar nicht anders, weil die Tarifierung hier vom Anbieter des Dienstes festgelegt wird und im Rahmen einer 0900 Verbindung können sogar die Tarifierungen gewechselt werden, beispielsweise: Warteschleife kostenlos, Bandansage 5 Cent, Hotliner 10 Cent, technische Fachberatung 1 Euro pro Minute oder pro Ereignis.
Wenn nun jemand mit einem Prepaid-Handy anruft, wird es schwierig, wenn die Gesprächskosten nicht sofort in Echtzeit abgerechnet werden können. So könnte der Prepaidkunde eine Verbindung aufbauen, die ihn in die roten Zahlen bringt (weil sein Guthaben schon alle ist), was dem Sinn von Prepaid widerspricht und im schlimmsten Fall dazu führen könnte, daß der Anbieter auf seinen „Kosten“ sitzen bleibt, wenn der Prepaidkunde später nicht nachzahlt. Die Folge: Mehrwert-Dienste sind für viele Prepaid-Kunden nicht erreichbar. Basta.
Da nicht jede Telefongesellschaft mit jeder reden mag, gibt es Teilnehmer-Netzbetreiber, die zu Offline-Billing-Anbietern erst gar nicht verbinden. Damit ersparen sie sich und ihren Kunden jede Menge Streß, weil kein Kunde sich beschweren braucht „Wieso ist das so teuer, ich hab da nicht angerufen“.
Sollten die kostenlosen Warteschleifen nun Wirklichkeit werden, muß man z.B. bei 0180er Rufnummern das bisherige Modell („Sage mir, was Du wählst und Du weißt, was es kostet“) über den Haufen werfen. Sobald man 0180 auf „Offline-Billing“ umstellt, treten die o.g. Probleme auf, die Nummern wären übelstenfalls nicht mehr für alle Kunden erreichbar.
Diese Erfahrung mußte beispielsweise der Mobilfunkanbieter Mobilcom machen, der es eine Zeitlang mit einer 0900-Hotline (mit unterschiedlichen Tarifierungen während der Verbindung) probierte, viele Kunden konnten (oder wollten) nicht mehr anrufen, man kehrte reumütig zu einer 01805-Rufnummer zurück.
Radikale Lösung
Nun ist es ja nicht so, daß diese Probleme unlösbar wären. Sind sie nicht. Man müßte nur einen radikaleren Ansatz wählen:
Jede Telefongesellschaft, die Telefondienste anbietet, müßte dazu verdonnert werden, ihren Kunden eine kostenlose 0800-Hotline anzubieten. Da „kostenlose“ Rufnummern sicher das Anrufaufkommen steigen lassen „Ach das ist ja kostenlos, da ruf ich mal an, eigentlich hab ich nur Langeweile“ (Das gibts leider wirklich) , bietet die moderne Anlagentechnik Schaltungen wie die beliebten IVR – Interactive Voice Response („Drücken Sie die 1 und die 9 und die 3 und die 5 und… ) bis hin zum „Notausknopf“ für den Hotliner, der bestimmte Jux-Anrufer eine Zeitlang von Anrufen ausperren kann.
Reichen die eingesetzten Telefonagenten bei weitem nicht aus, um den Ansturm sofort zu bewältigen, wäre ein schlichter Anrufbeantworter die Lösung: Der Agent ruft später zurück, wenn er die Frage beantworten kann, der Kunde wird schneller bedient, wenn er gleich dem Anrufbeantworter konkret erklärt, wo das Problem liegt.
Die Macht der Kunden
Aber auch die Kunden hätten es in ihrer Macht, die Telefongesellschaften und Dienstleister, die partout nicht auf teure Hotlines verzichten mögen, zu „bestrafen“:
Erkundigen Sie sich doch VORHER, ob der gewünschte Anbieter eine kostenlose Hotline bietet oder nicht. Falls nein, wählen Sie einen anderen Anbieter.
Telefonhotlines mögen praktisch sein, aber in vielen Fällen bringt eine vernünftig verfasste e-mail mehr, wo in klaren und einfachen Worten alle notwendigen Kundendaten und die Frage enthalten sind. Sicher bekommen Sie oft Baustein-Antworten, aber wenn Sie hartnäckig nachfragen, meldet sich irgendwann ein lebender Mensch, der Ihre Frage dann auch versteht und richtig beantwortet.
Weniger Sondervorwahlen
Im übrigen erinnere ich an meinen radikalen Voschlag, die Zahl und Arten der Sondernummern radikal einzudampfen:
– 0700 für persönliche und ortsunabhängige Rufnummern (0180 und 032 könnten dafür entfallen)zum Preis eines ganz normalen Telefongesprächs, bzw. in der Flatrate enthalten. Fertig.
– 0800 für kostenlos erreichbare Dienste, wo Firmen „Kundenservice“ noch groß schreiben,mit der Vorwahl 00800 international erreichbar. Alle Kosten hat der Angerufene zu tragen. Klare Sache.
– 0900 für besonders teure „Service“-Nummern, wo jeder Kunde sich vorher überlegen sollte, ob ein Anruf wirklich „lohnt“ oder nicht. Dafür wären 0137/0138 zu streichen und die 118 am besten gleich auch, weil kein normaldenkender Mensch den Unterschied zwischen einer Ortsnetz- und einer 11x Rufnummer begreift.
Worüber man reden kann, ob man im 0900 Bereich eine weitere Vorwahl einführt, wo die Kosten bereits an der Vorwahl zu erkennen sind und sich in der Verbindung nicht mehr ändern können, da offenbar ein Bedarf an niedrig bepreisten „Mehrwert“ Rufnummern zu bestehen scheint.
Bei der Gelegenheit wären auch alle 5stelligen Kurzwahlen in den Handynetzen zu streichen, sofern sie nicht kostenlos erreichbar sind, alles andere müßte die Vorwahl 0900 bekommen, was auch für SMS-Kurznachrichten gelten sollte, dann wäre es glasklar, daß hier mehr Geld als übrig berechnet wird.
Die Mehrwertbranche mag über solche radikalen Vorschläge erschrecken, wenn sie es sich aber genauer überlegen, würden sie langfristig gesünder leben, weil die neuen vereinfachten Regeln auch dem ahnungslosesten Kunden erklärbar wären. Will der Kunde das Angebot annehmen, bitte sehr. Will er es nicht, weiß er, wovon er die Finger zu lassen hat.
Eine Sperrung der Vorwahl 0900 ist heute schon möglich, wenngleich man an der Hotline mitunter ziemlich deutlich werden muß, bis die Sperre wirksam eingerichtet wird.
Schlagwörter: Hotline, Offline-Billing, Online-Billing, Sondernummern, Warteschleife
20. Februar 2011 um 00:31 |
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