Zum Jahreswechsel lesen wir zahlreiche Rück- und Ausblicke. Prognosen, die Wahrheit werden oder auch nicht und jede Menge mehr oder weniger guter Wünsche.

Bei der Justage meiner Glaskugel…
Also habe ich meine Glaskugel poliert und mal geschaut, was ich so sagen kann…
Mobilfunk 2016:
Selbst Jahre 25 nach Netzstart der digitalen „D“-Netze gibt es immer noch viel zu viele Funklöcher. Nicht nur in Zügen, sondern auch im Auto oder draußen in der Natur, selbst in vielen Orten, outdoor und indoor sowieso. Die Wahrscheinlichkeit, außerhalb der belebten Ballungsgebiete „kein Netz“ zu haben, ist zwar deutlich höher, aber auch Ballungszentren sind nach wie vor keine Garantie für eine ausreichende Versorgung 😦
Good Bye GSM ?
Während Länder wie die USA, Australien oder die Schweiz bereits konkrete Termine zur Abschaltung der frühen digitalen 2G (GSM)-Technik vor Augen haben – in Singapur ist die Abschaltung in vollem Gange, in den USA hat der Netzbetreiber AT&T zum Jahreswechsel den Schalter „offiziell“ umgelegt, in Australien ist die Abschaltung auch angelaufen – will Swisscom in der Schweiz im Jahre 2020 den Schalter auf „GSM-aus“ stellen. In Deutschland ist das Ende von GSM noch nicht in Sicht, weil so viele Maschine-Maschine-Geräte (M2M) unterwegs sind. Eher wird 3G (UMTS) vor 2G abgeschaltet, vermuten Insider.
GSM (Groupe Speciale Mobile später Global System for Mobile Communications) war und ist eine Erfolgsgeschichte. Heute, nach 25 Jahren ist die Technik überschau- und bezahlbar. Da moderne Sendestationen heute aus viel mehr Soft- als aus Hardware bestehen, wäre ein Weiterbetrieb der GSM-Technik gar nicht so verkehrt, wenn das gesparte Geld für den Netzausbau und die Verdichtung der Versorgung genutzt würde.
Was vor 25 Jahren galt, gilt heute erst Recht: Es braucht Sender, Sender, Sender und nochmals Sender! Wenn das mobile Netz für Sprache, Daten bis zu dem Internet der Dinge (IoT) was werden soll, braucht es viele und nochmals viele Sender. IoT kann man schon einfach mit 2G aufbauen, aber wo kein Sender ist, ist kein Netz.

Funkmast der Swisscom vor Landarenca
Hello 4G and 5G
Die Zukunft des Mobilfunks wird 4G (auch als LTE bekannt) sein, dicht gefolgt von 5G. Wozu brauchen wir 5G? 5G ist im Prinzip ein wesentlich „schnelleres“ 4G, mit viel mehr Servern vor Ort, viel schnellerer Technik und auch neue Funk-Frequenzen, die so hoch liegen, dass die noch viiiiiel mehr Sender erfordern, als jemals zu vor. Sagte ich schon, dass wir viele Sender brauchen?
Telekom – der ewige Testsieger?
Die Deutsche Telekom hat Ende 2016 den in der Branche wichtigen „Connect Netztest“ wieder einmal gewonnen, aber diesmal nur „knapp“.

Seit Jahren ununterbrochen Testsieger: Die Deutsche Telekom
„Knapp“ deshalb, weil Vodafones Netzausbau so ganz allmählich „spürbar“ wird, aber noch lange nicht an die Telekom (z.B. in der Provinz) heranreicht. „Knapp“ auch deshalb, weil der seit Jahren ewig gleich bleibende Testsieger beim Leser eine gepflegte Langeweile aufkommen lässt. Da bleibt das Heft irgendwann am Kiosk liegen und die dazugehörende Webseite wird nicht mehr angeklickt. Also dürfen wir auf den nächsten Test mehr als gespannt sein.
Wer gewinnt den Netztest in diesem Jahr?
Falls beim Netztest in diesem Jahr jemand „anders“ vorne liegen sollte, würde die Spannung steigen. Das bedeutet für die Telekom: Sie muss ihren Netzausbau und ihre Netzqualität noch einmal so dramatisch und drastisch steigern, dass ihr weiterhin niemand das Wasser reichen kann – oder dieses Mal „gewinnt“ Vodafone. Vielleicht weil die Kriterien sich ändern könnten, beispielsweise entlang von Zugstrecken, wo Vodafone kürzlich viel LTE ausgerollt hat.
Alle reden von der Bahn…
Die Deutsche Bahn hat zum Jahreswechsel ihr kostenloses WLAN für alle in den Zügen gestartet, auch in der 2. Klasse. Zunächst nur im ICE, später vielleicht irgendwann auch mal in IC und Regionalzügen. Ich bin weiter kein Freund vom „kostenlosen WLAN“, weil die Baukosten für dieses WLAN irgendwo bezahlt werden müssen. Um einen generellen besseren Netzausbau kommen Telekom, Vodafone und Telefónica (o2) ohnehin nicht drum herum. Und dann würden die Zug-Repeater, die einfach das Mobilfunksignal in den Zug hinein spiegeln, die bessere Netzqualität übertragen und der Aufwand für das neue WLAN samt Balanceroutern und Servern an Bord wäre gar nicht notwendig. Zumal WLAN ohne Nacharbeit seitens der Nutzer nie so „sicher“ sein kann, wie der digitale Mobilfunk, selbst mit GSM.
Wie macht Vodafone weiter?
Vodafone hat seine Kunden neu entdeckt und bietet beispielsweise mit dem Tarif CallYa Smartphone Special ein interessantes Produkt für neugierige Multiplikatoren und Netztester an. Es ist überschaubares Prepaid, es kann echtes LTE und EU-Roaming ist auch drin und es kostet weniger als 10 Euro. Den Finger heben muss man, dass dieser Tarif nur noch 28 Tage (4 Wochen) lang gilt. Das entspricht einer Preissteigerung von rund 10,5%. Und da musste die Telekom bei diesem Unsinn dann natürlich gleich nachziehen, auch das gibt Punktabzug.

Vodafone am Flughafen
Beim Service hat sich Vodafone gefühlt verbessert, doch beim Netzausbau in der Provinz gibt es noch viel zu tun. Zwar können früher quälend langsame GSM/GPRS/EDGE Stationen heute 150-200 kbps, was schon ein sehr guter Wert ist und Ping-Zeiten von 100-130ms sind dafür auch ok. Das Volk ist verwöhnt und erwartet heute „4G LTE max“ selbst im allertiefsten Wald oder der wildromantischen Einsamkeit der Mecklenburger Seenplatte.
Wie entwickelt sich Telefónica?
Telefónica, bisher bekannt als o2 oder E-Plus, hatte es 2016 nicht einfach. Die Fusion kam organisatorisch vorwärts, netztechnisch fehlt noch eines, aber mit der Kundenkommunikation ging es rückwärts in finsterste VIAG-Zeiten. Der Erfinder der Markenvielfalt hat den „Abflug“ gemacht und zufälligerweise zeitgleich wurden Marken kurzerhand von heute auf Morgen eingestampft, Kunden von einem zum anderen System transportiert, vielleicht noch verbunden mit dem Hinweis „es ändert sich nix“.
Am Ende die große Überraschung? Weil genau die Sonderkonditionen und Tarifoptionen, weswegen der Kunde dort überhaupt Kunde war, genau durch die Fusion „verloren“ gingen?
Eine ganz bewusst nicht mehr so leicht erreichbare Hotline, ein radikal herunter gefahrener Händlersupport und mangelhafte oder fehlende Kommunikation zum Kunden sorgten für sehr viel Frust. Enttäuschte Kunden nutzen diese Gelegenheit, um zu einem noch billigeren Anbieter, aber im gleichen Netz zu wechseln. Einem billigeren Anbieter, dessen Produkte entweder so einfach gestrickt sind, dass man keinen Service braucht oder deren Service sogar funktioniert.
Damit ist der Kollateralschaden für o2 zunächst noch „überschaubar“, weil die Gesamtkundenzahl zunächst relativ „stabil“ bleibt. Intern wächst der Druck weiter, durch brutale Einsparungen die Kosten in den Griff zu bekommen. Wer diese Kosten bezahlt – der Kunde – gerät dabei leicht aus dem Fokus.
Für Telefónica noch schlimmer: Es steigt die Lust enttäuschter Kunden, lieber „etwas mehr“ auszugeben und zu einem der anderen beiden Netzbetreiber zu wechseln. Sind die Kunden dort zufrieden, sind sie für Telefónica lange Zeit verloren. Oder sind die Probleme der Kunden gar nicht so gravierend und sind sie für „günstige“ Preise bereit, alles geduldig zu ertragen?
Mal sehen, ob und wann die nächsten quartalsmäßigen Kundenzahlen diese Kundenbewegung wiederspiegeln.
Ausblick auf 2017
LTE für alle ?
Kunden, die beim günstigen Discounter unterschrieben oder gebucht haben, können auch in 2017 oft noch kein LTE verwenden. Vielleicht wissen sie gar nicht, was LTE ist? Vielleicht brauchen sie es wirklich nicht? Oder haben schlicht kein passendes Endgerät dafür? Dafür sind die Preise ohne LTE in der Regel deutlich günstiger. Doch wird der Tag kommen, wo die Deutsche Telekom auch Ihrer Discount-Tochter Congstar (und allen anderen Service-Providern) den Weg ins LTE ebnen wird. Auch bei Vodafone liegen ähnliche Pläne in der Schublade. Noch 2017, vielleicht dann zur IFA (besser bekannt als „Funkausstellung“) oder doch erst 2018 ? Telefónica ist hier weiter. Selbst Prepaid und diverse Discounter haben bereits LTE, dafür müssen ehemalige E-Plus/BASE-Kunden auf LTE noch warten. Warum auch immer.
Kunden, die ein insgesamt „gutes Netz“ wollen, werden auch 2017 nicht um die Telekom herum kommen. Der Netzausbau mit LTE auch in abseits gelegenen Regionen wird erst richtig spürbar, wenn man mit Voice over LTE (VoLTE) telefonieren kann. Das gibt ein völlig neues Netzabdeckungsgefühl. Strecken, wo die Telefonverbindungen bisher zuverlässig abrissen, sind auf einmal über Nacht versorgt. Man braucht ein VoLTE fähiges Gerät, das vom eigenen Netzbetreiber unterstützt wird. Man braucht einen passenden Laufzeitvertrag (Prepaid wird erst viel später kommen) und man muss die Option im Kundenmenü freischalten oder wenigstens prüfen, ob sie freigeschaltet ist. Die Zahl der VoLTE-fähigen Endgeräte ist noch überschaubar, aber täglich werden es mehr.
VoLTE gibt es auch bei Vodafone und im Prinzip auch bei Telefónica. Doch Telefónica hat Probleme mit der MultiCard und der generellen Freigabe von LTE für seine bisherigen E-Plus/BASE Kunden (siehe oben). Das kann noch dauern, bis das flächendeckend gelöst ist.
Das Ende des Smartphones?
Mobilfunkastrologen sagen uns das Ende des Smartphones voraus. Mittelfristig denkbar, aber man sollte die Widerstände des konservativen Publikums nicht unterschätzen. Gerade in der Politik lernen wir, wenn die Macher in ihren Sphären schweben und „vergessen“ haben, dem Volk klar zu machen, wohin die Reise geht und wozu das gut ist. Wenn etwas Neues akzeptiert werden soll, müssen die Anbieter ihren Kunden dabei helfen. Mehr Service, nicht weniger Service, bedeutet das.
Nokia is back!
Nokia ist wieder da. Auf der Roadmap stehen zunächst „einfache“ Telefone, die Nokia einst berühmt gemacht haben. Nicht unwahrscheinlich, dass lange verzweifelte Basis-Nutzer zu Nokia zurück kehren werden, die einfach „nur“ telefonieren und vielleicht noch SMS-Nachrichten verschicken wollen und dafür ein passendes Telefon suchen.

Einfaches Nokia Dual SIM
So ab und zu ist etwas „back to the roots“ gar nicht so verkehrt. Staunen Sie nicht auch, wenn eine Dampflokomotive über die Eisenbahngleise Ihrer Stadt faucht? Die Technik ist „einfach“ und „verständlich“ und manchmal würden wir uns das beim Mobilen Telefonieren irgendwie auch wünschen.
BlackBerry ist auch noch da!
BlackBerry’s geheimes Motto lautet: Wir bauen das beste Smartphone der Welt und sagen es Keinem! Wir sorgen dafür, dass es keiner kaufen kann oder wenn, nur zu abgehobenen Preisen. Wir entwickeln eines der sichersten mobilen Betriebssystem der Welt, aber wir verraten es keinem, denn es ist ja total sicher.

Aus einer Zeit, als Jeder einen BlackBerry haben wollte (Modell Curve 8310 (Foto RIM))
Unsere Industriekunden wollen es einfach und zuverlässig mit langer Akkulebensdauer, die Mitarbeiter wollen es maximal multimedial, deren Chefs wollen die maximale Kontrolle über ihre Geschäftsdaten. Nun ist BlackBerry auf Android umgeschwenkt. Android ist Marktführer und weit verbreitet, aber Android leidet unter einer Fragmentierung der Versionen und fehlender Updates, die es nicht bis zum Endkunden schaffen, weil jeder Handyhersteller diese Updates erst auf seine zig Milionen verschiedenen Modelle anpassen müsste. Dazu ist kein Geld und keine Lust mehr da. Bei PCs ist Microsoft Windows marktführend und da gibt es (mindestens) jeden zweiten Dienstag eines Monats Updates und die muss man (wenn auch verzögerbar) aufspielen. Fertig.
Was lernen wir?
Es wird 2017 geben und danach 2018 und vorher wird noch viel passieren 🙂
Schlagwörter: 3G, 4G, 5G, Blackberry, Flächendeckung, Glaskugel, GSM, LTE, Netzausbau, Nokia, Smartphone, Telefonica, Telekom, Vodafone
10. Januar 2017 um 23:12 |
Hallo Herr Gajek,
bin großer Fan Ihres Schaffens und melde mich heute zum ersten Mal zu Wort.
Wie ordnen Sie den Abschied des Smartphones ein?
Welche Geräte könnten schon 2017 alle dessen Aufgaben übernehmen?
(Den Abschied von der Smartwatch allerdings unterschreibe ich voll! 🙂 )
10. Januar 2017 um 23:32 |
Hallo,
Ich sehe derzeit noch keine realen Nachfolger des Smartphones, aber sie werden kommen. Vielleicht wird das Smartphone „zerlegt“ also getrennte Funktionseinheiten, der Kern bleibt in der Tasche, das Display in der VR-Brille oder auf der Uhr und vielleicht Sprachsteuerung, aber Sprache ist nicht immer ideal…
Vielleicht gibt der MWC 2017 erste Antworten? 🙂
11. Januar 2017 um 00:20 |
Leider hat die Schöpfung den Menschen nicht gleich mit Sim-Kartenslot und LTE-Modem ausgestattet ……
3. Februar 2017 um 11:46 |
Hallo,
ich bin auch ein langjähriger stiller Leser… 🙂
2017 wird der Sieg im Netztest mit Sicherheit wieder an die Telekom gehen. Die beiden Hauptkonkurenten sind noch mit sich beschäftigt. Vodafone muss die Integration von Kabel Deutschland voranbringen. Ich vermute, VF wird massiv Kunden mit klassisschen Telefonanschlüssen über Telekom-Leistung ins Kabelnetz migrieren wollen. Telefonica muss das Eplus-Netz integrieren.
Blackberry ist tot – die Softwarelösung wird vielleicht im B2B-Bereich überleben, sicher ist das aber noch lange nicht.
Nokia, ach Nokia… Wenn Nokia vor Jahren das N9 konsequent weiterentwickelt hätte, dann wäre es ein Erfolg gewesen, wahrscheinlich sogar im B2B-Bereich. Den X-ten Hersteller von Android-Handys braucht kein Mensch. Wer Premium will, kann Samsung, Sony oder Google Pixel kaufen. Wer billig will, importiert direkt aus China.