Das o2 Dilemma

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Das ist die Geschichte des emotionalen Verhältnisses der Kunden zu „Ihrem“ Anbieter.

Irgendwann liegt es auf dem Tisch, das erste „eigene“ Handy. Da ist ein Netz drin. Das Netz haben Eltern. Freunde oder Bekannte „gewählt“ oder man/frau hat sich selbst drum gekümmert und sich für Netz „X“ entschieden.

Und es ist wie mit der ersten Liebe. Am Anfang ist Euphorie. Boah, was da alles geht. Hier Netz, da Netz, dort Netz, günstige Kosten, tolle Funktionen. Whow.

Neptun und Waschbär möchten die Kunden glücklich machen

Neptun und Waschbär möchten die Kunden glücklich machen (Foto o2)

Dann folgt Enttäuschung: Oh, da geht’s nicht, da hakelt es, die Hotline hat aber lange Wartezeiten, im Laden haben sich mich schlecht beraten, warum stimmt meine Rechnung nicht, das Handy funktioniert nicht richtig, ist es kaputt? Oh.

Dann wird man/frau sich das vielleicht „schön“ reden. Ok, im Bad hab ich kein Netz, wann bin ich mal im Keller? Die Daten hakeln, ach dafür gibts doch überall WLAN und der Tarif ist doch so schön günstig.

Sprich die positiven Dinge werden viel positiver gesehen, als sie sind, die negativen Dinge , wenn möglich, verdrängt.

Absturz einer Spitzenmarke?

Das aktuelle Manager-Magazin: o2 – der Absturz einer einstigen Spitzenmarke“ hat das sehr dezidiert auf den Punkt gebracht, leider ist der ganze Artikel nicht online lesbar, aber die Kernthesen sind klar:

Telefonica Spanien muss einen gigantischen Schuldenberg abbauen. Die deutsche Tochter Telefonica ist sehr rentabel und trägt ihren Beitrag dazu bei.

Warum ist o2 „sehr rentabel“? Weil sie sparen, sparen, sparen.

o2 müsste aber angesichts der kommenden Zukunft mit gigantischen Datenmengen (connected oder autonomes Fahren, Videos, Streaming und und und…) ein zigfaches mehr in das eigene Netz investieren. Dafür sei kein Geld mehr da, sagen die einen. Nein, dafür sind keine Firmen da, die das alles so schnell aufbauen können, sagen die andern, und das kostet unendlich viel Zeit.

Der Umbau als Kundenerlebnis?

o2 müsste seinen Netzumbau „erlebbar“ machen, die Kunden vorher informieren, mitnehmen, was durchaus möglich wäre. Das war wohl ansatzweise geplant, ist aber praktisch kompliziert, weil Störungen durch den Umbau zwischen wenigen Stunden und einigen Wochen auftreten können und vieles unkoordiniert läuft und zugleich 40.000 Stationen „angefaßt“ werden müssen. Da bleibt keine Schraube ungedreht.

Zuviel Öffentlichkeit „stört“ da nur oder erfordert zusätzliches gutes Personal, das fähig ist zu kommunizieren und sich nur darauf konzentrieren kann. Nicht nur an der Hotline, sondern überall, wo Kontakte zu Kunden bestehen und entstehen. Diese Leute bringen aber erst mal kein Geld (sondern verhindern, dass Geld verloren geht) aber so passt das irgendwie nicht in die Bilanz 😦

Ist Wechsel die Lösung?

Was kann der Kunde tun? Bliebe der Wechsel zu einem anderen Netz. Das kann je nach Anforderungsprofil „sehr teuer“ sein, muss es aber nicht. Will jemand 15 GB LTE im Monat, nimmt er den o2 Free zum aktuell günstigen Kurs von 20-30 Euro. Bei Telekom oder Vodafone kosten soviele Daten locker das 2,5-4 fache, wenn es dumm kommt. Kommt jemand monatlich aber schon mit 1 GB Daten aus, bekommt er auch bei Telekom und Vodafone LTE für rund 10 Euro in 4 Wochen, das sind dann durchaus attraktive Alternativen zu o2.

Hat sich jemand zum höheren Preis durchgerungen, kommt die nächste „Dusche“. Das Netz der Telekom ist gut, aber längst nicht überall. Wer im Schwarzwald oder Deutsch-Schweizer Grenzgebiet unterwegs ist, tappt durch wüste Funklöcher oder lückenhaft versorgte Regionen, die viel zu langsam verschwinden. Von fehlendem Netz in Mecklenburg-Pommern, Sachsen-Anhalt oder wo auch immer können alle drei Netzbetreiber erzählen, „da wohnen kaum Leute“, wie soll sich da ein „flächendeckender“ Ausbau noch rechnen? Viele hoffen auf den Staat, doch das sind auch unsere Gelder. Die hohen Preise in Deutschland kommen irgenwo auch durch absurd hohe Lizenzkosten, die wir Kunden dann nicht direkt an Herrn Schäuble, sondern erstmal an Herrn Höttges, Ametsreiter oder Haas überweisen.

Wohin wechseln?

Wer auf Vodafone setzt, kann in Ludwigshafen Oppau beispielsweise 50 MB/s down mobil erleben (die Telekom schafft dort nur 6-10 MB, o2 nur 2-3 MB), könnte aber anderswo voll „daneben“ liegen, wo Vodafone vielleicht nur GPRS/EDGE bietet, was auch funktionieren kann, aber nicht immer.

Das frustriert.

Wie bringen wir Kunden aber die Netzanbieter zum flächendeckenden Vollausbau auch der „Provinz“ oder zur knackigen „Indoor“ Versorgung? Indem sie bauen, bauen, bauen. Das kostet, kostet, kostet. Wer zahlt das?

o2 Chef Haas weiß, dass er die Einnahmen durch seine Kunden steigern muss. Sein ARPU (monatlicher Umsatz pro Kunde) mit etwa 10 Euro liegt am Ende der Skala, Telekom im Mittelfeld (ca. 13 Euro) und Vodafone führt mit etwa 15 Euro. Nur wie kann Haas das Zauberkunststück hinbekommen?

Wackliges Netz und hohe Preise, da hauen frustrierte Kunden ab… zum Billigstanbieter, der zufälligerweise auch in seinem Netz daheim ist, d.h. er hat weiter viele Kunden, die aber noch weniger zahlen. Ein Teufelskreis.

Die Telekom baut, aber rechnet auch mit gespitztem Stift. Deswegen mussten sie ihre Serviceabteilung wieder aufrüsten, weil die Bonner „rechtzeitig“ gemerkt haben, dass hohe Preise ohne Super-Service nicht geht.

Die Freaks kommen klar, genießen den immer noch guten Service aus Bonn, aber die DAU-Kunden da draußen, müssen auch gut bedient werden. Kann man machen, kostet Geld. Auch Vodafone hat seinen Service still und heimlich verbessert, aber gleichzeitig wurde den Leuten eingeimpft, wo immer es möglich ist, den Umsatz anzukurbeln, „darf es eine Karte mehr sein oder wenigstens ein Anrufklingelton?“

Ist der Kunde bereit, mehr Geld auszugeben und der Service und die Qualität beim „neuen“ Partner stimmt nicht, passiert der Super GAU: Kunde denkt, „Ach die sind doch alle gleich schlecht“ und nimmt künftig den Billigsten. Anspruchsvollere Kunden beten, bei „ihrem Netz“ irgendwie durchzukommen. Der Freak rennt mit 3 Handys in 3 Netzen rum, irgend ein Netz wird schon gehen. Oder auch nicht.

Richtig ändern könnte sich etwas, wenn die Kunden flexibler würden. Doch selbst wenn morgen 10 Millionen Kunden sich von München nach Düsseldorf oder Bonn aufmachen würden, würde das was ändern? Für o2 würde die Situation bestimmt nicht einfacher.

Solidarität mit o2 … und mit D2 und mit D1.

Vielleicht sollten wir das anders denken: Schließen wir einen „Vertrag“ bei o2 ab, als Solidaritäsbeitrag, damit sie die Kurve doch noch schaffen können. Schließen wir einen weiteren „Vertrag“ bei Telekom und oder Vodafone ab, damit wir im Bedarfsfall noch mobil im Netz bleiben können und hoffen, dass wieder etwas Schwung in den Markt kommt? Oder legen wir das Handy komplett in die Ecke und widmen uns anderen schönen Dingen?

Eher nicht.

2 Antworten to “Das o2 Dilemma”

  1. Matze Says:

    Solidarität? Guter Witz! Das sind alles international agierende Konzerne mit gierigen Aktionären im Rücken, die Profit machen wollen. Da sind doch nicht die Kunden in der moralischen Verantwortung, deren Profite aus Mitleid zu spenden!

    Wenn das kleine O2 unbedingt den größeren Konkurrenten E-Plus kaufen und schlucken wollte, dann war das eine riskante Spekulation der Konzernmutter. Wenn die aufgeht, machen die Aktionäre Profit. Wenn nicht, machen sie Verluste. Was geht das die Kunden an?

    Um Qualität zu sichern und den Wettbewerb am Leben zu erhalten, müssen die Kunden ihren Anbieter eben genau nach Qualität und Preis auswählen (das nennt sich Markwirtschaft). Gute gewinnen, schlechte verlieren. Mitleid ist da völlig fehl am Platze!

    Wer so mies arbeitet wie O2 und das nur noch über Rabatte kompensieren kann, um Kunden zu halten, wird in einem funktionierenden Markt auf Dauer verlieren. In genau dieser Abwärtsspirale sehe ich O2.

  2. Kerstin B. Says:

    Wir legen das Handy komplett in die Ecke und widmen uns anderen schönen Dingen. 😉

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